Antivirale Validierung

Viruzide Desinfektionsmittel

Welche Desinfektionsmittel sind geeignet?


Auf Grund der enormen biologischen Unterschiede zwischen Viren und Bakterien, sind bakterizid wirksame Desinfektionsmittel (z.B. aus der Desinfektionsmittelliste der DGHM) nicht zwangsläufig auch wirksam gegenüber Viren. Auch weiß man aus leidvoller Erfahrung, dass Analogieschlüsse (also eine Übertragung einer vermeindlichen Wirksamkeit von Bakterien auf Viren) hierbei nicht erlaubt sind.

Und selbst innerhalb der Viren zeigt sich eine beträchtliche Variabilität bezüglich deren Stabilität (i.d.R. sind Viren mit Hülle, z.B. Herpesviren oder HIV leichter zu desinfizieren, als unbehüllte Viren, wie z.B. Rotaviren). Darüber hinaus beeinflussen weitere Faktoren wie Einwirktemperatur, Einwirkzeit, Anwendungskonzentrationen, Begleitsubstanzen (Blut o.ä.), Trocknungszustand der Kontamination und in einem sehr großen Maße die Anwendung selbst (Sprühen, Wischen, Eintauchen, manuelle Desinfektion, Desinfektionsgeräte u.v.m.) den Erfolg einer Desinfektionsmaßnahme.

Dieses verdeutlicht, warum chemische Desinfektionsmittel auf ihre Wirksamkeit gegenüber Viren experimentell zu überprüfen und als Beleg für eine nachgewiesene Viruswirksamkeit entsprechend zu zertifizieren sind (mit den entsprechenden Anwendungsbedingungen).

Anwendungsprofile der Desinfektionsmittel

Grundsätzlich werden für die Desinfektion zwei Anwendungsprofile unterschieden:
  1. Die routinemäßige Desinfektion (also zur Infektionsprophylaxe) sowie
  2. die Anwendung im Seuchenfall bzw. zur Unterbrechung von Infektionsketten
Routinemäßige Desinfektion bedeutet, dass im Rahmen der alltäglichen Infektionsvorbeugung Desinfektionsmittel eingesetzt werden, die sich am wahrscheinlichen bzw. am zu erwartenden Erregerspektrum orientieren.

Im Gegensatz dazu werden im Falle eines Ausbruchs Desinfektionsmittel eingesetzt, die gegen einen bestimmten Erreger (bzw. Erregertyp) gerichtet sind.

Diese Unterscheidung eröffnet die Möglichkeit, dass in bestimmten Bereichen (wo es medizinisch vertretbar ist) Desinfektionsmittel mit einer geringeren als der maximal möglichen Wirksamkeit zum Einsatz kommen. Auf diese Weise kommen das Personal und die Patienten mit weniger aggressiven Substanzen in Kontakt und die Umwelt wird weniger belastet.

Listen / Zertifikate der auf Wirksamkeit geprüften Desinfektionsmittel

Auf der nationalen Ebene werden Desinfektionsmittel bzw. Desinfektionsverfahren seit vielen Jahren nach von den entsprechenden Fachgesellschaften festgelegten Testverfahren geprüft und bewertet. Diese Produkte oder Verfahren erhalten nach bestandener Prüfung entsprechende Zertifikate (z.B. der DVV) oder werden in entsprechende Listen aufgenommen (VAH, DVG).

Das gemeinsame Ziel dieser Listen und Zertifikate besteht darin, dem Anwender, insbesondere bei der routinemäßigen Desinfektion, eine Orientierungshilfe anzubieten, die eine auf Wirksamkeitsdaten basierte Infektionsprävention ermöglichen soll.

Von der routinemäßigen Desinfektion zu unterscheiden ist die behördlich angeordnete Entseuchung nach §18 IfSG. Hierbei dürfen im Seuchenfall nur diejenigen Desinfektionsmittel verwendet werden, die in der gültigen Desinfektionsmittelliste des Robert Koch-Instituts (die sog. „RKI- Liste“) für die vorgesehene Anwendung aufgeführt sind.

1. Listen / Zertifikate für die routinemäßige Desinfektion
  • Zertifikat für geprüfte und für viruswirksam erachtete Desinfektionsmittel, vergeben von der Deutschen Vereinigung zur Bekämpfung der Viruskrankheiten e.V. (DVV)
  • Desinfektionsmittelliste der VAH (zur routinemäßigen Desinfektion; weit überwiegend auf der Basis der Bakterizidie erstellt).
  • Desinfektionsmittelliste der DVG.

2. Liste zur behördlich angeordneten Desinfektion (nach §18 IfSG)
  • Liste der vom Robert Koch-Institut geprüften und anerkannten Desinfektionsmittel und -verfahren (sog. RKI-Liste).
Anmerkungen zur Auswahl der Anwendungs-Konzentrationen und –Zeiten für die Praxis (auf der Grundlage der Daten aus den Desinfektionsmittel-Listen [s.o.] bzw. den Herstellerangaben)

Es ist zu beachten, dass die Angaben zur Viruswirksamkeit aus den verschiedenen Listen für die routinemäßige Desinfektion i.d.R. von Ergebnissen aus Suspensionstests abgeleitet wurden bzw. werden,. Diesen Tests liegt jedoch ein idealisiertes Testsystem zugrunde, welches die Bedingungen der Praxis nicht oder nur sehr unvollkommen wiederspiegelt. Insbesondere die Übertragbarkeit der von in Suspensionstests abgeleiteten Anwendungsparameter auf die Flächendesinfektion muss in Zweifel gezogen werden, was jüngst durch die Untersuchung der VAH und der DVV einmal mehr bestätigt wurde (vergl. Hyg Med [2013]; 38:545-547). In der Konsequenz bedeutet dies, dass die in den Listen angegebenen Produktkonzentrationen und Einwirkzeiten unter den realen Anwendungsbedingungen nicht immer ausreichend sind.

Es ist daher nur folgerichtig, dass für die Auslobung einer Viruswirksamkeit für eine bestimmte Anwendung (Flächen-, Instrumenten-, Hände- oder Wäschedesinfektion) solche Daten zugrunde gelegt werden sollten, die in entsprechenden praxisnahen Tests (Keimträgertests bzw. Tests in der Waschmaschine) erhoben wurden. Ein Bespiel hierfür stellt die RKI-Liste dar. Bei dieser bereits seit 1995 (!) geltenden Prüf-Richtlinie wird eine an die Anwendung ausgerichtete und nach Instrumenten- sowie Flächendesinfektionsmitteln unterschiedene praxisnahe Prüfmethodik verlangt. Für die Bakterizidie und die Levurizidie werden ebenfalls bereits seit vielen Jahren für Flächendesinfektionsmittel praxisnahe Keimträgertests gefordert.

Nach Kenntnis des Autors beruhen auch die Herstellerangaben zur Viruswirksamkeit der Produkte zumeist auf Daten, die in Suspensionstests erhoben wurden. Daten aus Keimträgertests stehen derzeit in nur einem sehr geringen Umfang zur Verfügung. Und so obliegt es letztlich dem Anwender selbst aus den Herstellerangaben bzw. den Daten aus den Suspensionstests die richtigen Parameter für die geplante Anwendung abzuleiten und festzulegen. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund einer ansteigenden Haftungsrelevanz bei Desinfektionsmaßnahmen muss dem Anwender von Desinfektionsmitteln jedoch dringend empfohlen werden, sich von den Herstellern in erster Linie solche Daten für ihre Produkte vorlegen zu lassen, die eine Viruswirksamkeit unter den Anwendungsbedingungen belegen.