Antivirale Validierung

Regelwerke Viruzidie

Übersicht und Bedeutung der verschiendenen Richtlinien und Normen zur Prüfung der Viruzidie.


Das Ziel bzw. die Funktion einer Norm (oder Richtlinie) bei der Desinfektionsmittelprüfung lässt sich allgemein wie folgt zusammenfassen:
  • Vorgabe einer Richtschnur, die den Stand des Wissens darstellt und allgemein verbindlich ist
  • Auf der Basis einer solchen Richtschnur werden an unterschiedlichen Stellen erhobene Daten miteinander vergleichbar und einer entsprechenden Bewertung zugänglich
  • Der Hersteller kann mit einer solchen anerkannten Prüfmethodik Ansprüche an eine Wirksamkeit seines Produktes untermauern
  • Der Anwender eines solchen Produktes kann die vom Hersteller auf der Basis dieser Prüfmethodik gewonnen Angaben einordnen und das Produkt entsprechend verwenden

Die Überprüfung der Wirksamkeit von Desinfektionsmitteln auf der Basis einer verlässlichen experimentellen Untersuchung mittels einer anerkannten Prüfmethodik (vergl. die unten zusammengestellten Normen und Richtlinien zur Viruzidietestung) soll dazu führen:
  • eine Bewertung der tatsächlichen Leistungsfähigkeit (Wirksamkeit) eines Desinfektionsmittels unter den verschiedenen Gegebenheiten der Praxis (z.B. Einsatzgebiet, Grad der Verschmutzung) zu ermöglichen
  • dass nur tatsächlich wirksame Desinfektionsmittel verwendet werden mit dem Ziel der Verhütung einer Infektionserkrankung (Infektionsschutz)
  • dass eine Auswahl von Desinfektionsmitteln nach den tatsächlichen Erfordernissen (Erregerspektrum) erfolgen kann, mit dem Ziel eine übermäßige Belastung von Mensch, Tier und Umwelt sowie unnötige Kosten zu vermeiden (Personen bzw. Umweltschutz)
  • dem Anwender Entscheidungshilfen (Listen, Zertifikate der Fachgesellschaften) mit Angaben über Einwirkkonzentrationen und -zeiten in die Hand zu geben mit dem Ziel die Infektionsprophylaxe zu verbessern

Eine ausführlichere Beschreibung der skizzierten Themenkreise (die Bedeutung von Normen und Richtlinien, deren Entwicklung sowie den Stand der Prüfmethodik und deren Entwicklung), mit vielen weiteren Detailinformationen, ist in dem Büchlein "Nosokomiale Virusinfektion - Erkennung und Bekämpfung" (Hrsg.: H.F. Rabenau, O. Thraenhart und H. W. Doerr [1]) enthalten.

Prüfungen zur Viruzidie: Ablauf der Testungen (Schema)

Grundsätzlich folgen Untersuchungen zur Viruswirksamkeit von Desinfektionsmitteln dem folgenden Schema: Das Virus (Testvirus) wird mit dem zu prüfenden Desinfektionsmittel für eine bestimmte Zeit in Kontakt gebracht. Anschließend wird überprüft, ob noch Virus (Restvirus) nachgewiesen werden kann. Über den Vergleich von Restvirusmenge (Probe) mit der Virusausgangsmenge (Viruskontrolle) wird die Virusinaktivierungsrate bzw. der Reduktionsfaktor bestimmt.

In Abhängigkeit vom Ausmaß der Virusinaktivierung bzw. wenn hierfür ein bestimmter Mindestwert erreicht wurde (i.d.R. 4 Zehnerlogstufen), wird dem entsprechenden Desinfektionsmittel eine ausreichende Wirksamkeit (gegenüber dem Testvirus) attestiert.


Die Prüfungen folgen einem zweistufigen Ablauf:


Stufe 1: Testungen im quantitativen Suspensionstest


Stufe 2: Testungen unter praxisnahen Bedingungen im quantitativen Keimträgertest


Der quantitative Suspensionstest stellt ein idealisiertes Testsystem dar, der zunächst grundsätzliche Aussagen liefert aber die realen Anwendungsbedingungen nur unvollkommen wiederspiegelt. Die Deklaration der Wirksamkeit sollte deshalb nur auf der Basis der Ergebnisse aus den entsprechenden Keimträgertests erfolgen, ggf. unter Berücksichtigung der Ergebnisse aus dem quantitativen Suspensionsversuch.


Standen lange Jahre praktisch nur Testsysteme auf der Basis des Suspensionstest zur Verfügung, so hat sich dieses Bild langsam gewandelt und die ersten Keimträgertests sind verfügbar. Es ist davon auszugehen, dass in kurzer Zeit weitere Testverfahren auch für die übrigen Anwendungsbereiche dazukommen.


Anwendungsbereiche


In Bezug auf ihren Einsatzzweck werden Desinfektionsmittel für folgende Anwendungsbereiche unterschieden:

  • Instrumentendesinfektion (d.h. für med. Instrumentarium bzw. Geräte)
  • Flächendesinfektion (d.h. Fußboden, Tische, Liegen etc.)
  • chemothermische Desinfektion (u.a. Instrumentendesinfektion in Reinigungsautomaten)
  • chemothermische Wäscheaufbereitung (d.h. die desinfizierende Reinigung verschmutzter Wäsche [z.B. aus Krankenhäusern oder Heimen])
  • Händedesinfektion (unterschieden in hygienische H. bzw. chirurgische H.)

Die Prüfungen nach den einschlägigen Richtlinien sehen eine Testung der Desinfektionsmittel gegenüber ausgewählten Modellviren vor (vergl. entsprechende Norm).

Prüfverfahren für viruswirksame Desinfektionsmittel

  • Nach den Europäischen Normen: (Prüfungen nach der EN 14476 bzw. EN 16777 [Humanmedizin] bzw. EN 14675 [Veterinärbereich])
  • Zertifikat der DVV (Prüfungen nach der DVV/RKI-Leitlinie)
  • RKI-Liste nach §18 IfSG (Liste der vom Robert Koch-Institut geprüften und anerkannten Desinfektionsmittel und -verfahren, Prüfungen nach der DVV/RKI-Leitlinie bzw. der RKI-Richtlinie)
  • Prüfungen zur Aufnahme in die Desinfektionsmittelliste der VAH (Prüfungen nach der DVV/RKI-Leitlinie)
  • Prüfungen zur Aufnahme in die Desinfektionsmittelliste der DVG (Prüfungen nach den Richtlinien der DVG)

Auswahl des Prüfverfahrens

Grundsätzlich ist es zur Auslobung einer viruziden Wirksamkeit eines Produktes erforderlich, dass diese auch tatsächlich gezeigt werden kann. Dafür können die verschiedenen o.a. Prüfverfahren zur Anwendung gelangen bzw. ausgewählt werden. Diese Prüfverfahren sind zunächst eigenständig aber sie sind bereits auf bestimmte Anwendungsbereiche zugeschnitten. Mit der Auswahl des Anwendungsgebietes ergibt sich damit i.d.R. bereits die entsprechende Prüfvorschrift.

Mit der Auswahl des Prüfverfahrens ist jedoch nicht nur die zukünftige Anwendung festgelegt, vielmehr bestimmt der Hersteller hiermit die Zielgruppe für seine nachfolgende Vermarktung. Denn letztlich hat auch die Akzeptanz des Prüfverfahrens beim potentiellen Anwender einen Einfluss auf den Vermarktungserfolg. Details zum jeweiligen Verfahren sind in den entsprechenden Unterseiten enthalten.

An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass es grundsätzlich möglich und auch statthaft ist, Prüfungen außerhalb dieser Normen und Richtlinien bzw. in Anlehnung an diese durchzuführen. Dies ist beispielsweise dann sinnvoll, wenn eine spezielle Wirksamkeit gegenüber bestimmten Viren ausdrücklich in Anspruch genommen werden soll (z.B. HIV, S.A.R.S., Noroviren, Influenza) oder Verfahren geprüft werden sollen, die sich der Bewertung nach diesen Prüfrichtlinien aus methodischen Gründen entziehen (Luftdesinfektion, Automatendesinfektion etc.).